Mit einem Stipendium aus dem Abseits

Im Juni 2020 bekam ich einen Brief vom BAföG Amt. Seit dem Beginn meines Studiums war ich BAföG-Empfängerin. Zusammen mit Kindergeld und Nebenjobs im Sommer finanzierte ich damit mein Studium. Mein Erspartes, das ich mir während der Schulzeit aufgebaut hatte, rührte ich nicht an. Das war für die zwei Auslandssemester gedacht, die in meinem Studiengang verpflichtend waren. Und für schlechte Zeiten. Tief drinnen hatte ich diesen Traum, eines Tages nicht mehr von einem Kredit zu leben und ein Stipendium zu bekommen. Ich träumte davon, mit gleich gesinnten Stipendiaten über politische Themen zu diskutieren, auf internationale Konferenzen zu fahren und endlich keine Geldsorgen mehr zu haben. Zu diesem Zeitpunkt lag mein erstes Gespräch mit der Stiftung der Deutschen Wirtschaft bereits einige Monate zurück. Dass ich es in die zweite Runde schaffen würde, hielt ich für abwegig.

Das BAföG Geld hatte ich bitter nötig, da ich mir beim Workload unseres Studiengangs nicht vorstellen konnte, nebenher zu bearbeiten. Also beantragte ich eine Verlängerung. Stundenlang suchte ich benötigten Dokumente zusammen, die Gehaltsnachweise meiner Eltern der letzten zwei Jahre, meine eigenen Gehaltsnachweise und meinen Mietvertrag. Dann, endlich, kam die Antwort. Was ich für eine formlose Bestätigung hielt, entpuppte sich als Absage. Meine BAföG-Pauschale war von 507 € auf 0 € reduziert worden. Der Grund — meine Eltern verdienten zu viel.

Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Schließlich wusste ich genau, dass mein Vater durch Corona wie in Kurzarbeit war. Von mehr Geld konnte nicht die Rede sein. Dann fiel mir auf, dass das BAföG Amt auf die Gehaltsnachweise der letzten zwei Jahre schaute. Nicht auf das des aktuellen Jahres. Und selbst vor zwei Jahren wären meine Eltern kaum in der Lage gewesen, mir jeden Monat den vollen BAföG-Satz zu zahlen.

So langsam fand ich mich mit dem Gedanken ab, meine Ersparnisse aufzubrauchen und einen Nebenjob während des Studiums zu suchen. Kein angenehmer Gedanke, aber hey, ich brauchte das Geld. Ich recherchierte weiter, diskutierte mit meinen Eltern und telefonierte mit dem BAföG-Amt. Nach einem erneuten Einreichen des Mietvertrags, kam die Bestätigung, dass ich immerhin 200 € pro Monat bekommen würde. Immer noch kein Traum, aber besser als davor.

Meine Eltern waren besorgt und boten mir wiederholt Hilfe an. Ich lehnte ab. Wenn es mit der SDW nicht klappen würde, schwor ich mir, würde ich es bei einer anderen Stiftung mit ähnlichen Werten versuchen. Gleichzeitig war mir klar, dass die SDW meine Traumstiftung war: Ich erfüllte alle formalen Voraussetzungen, hatte ein gutes Gespräch gehabt und identifizierte mich vollkommen mit den Werten der Stiftung.

Einige Wochen später kam das erste Gehalt meines Sommerjobs und die alles entscheidende E-Mail: Mein Auswahlgespräch war gut verlaufen und ich bekam die Chance auf ein zweites Auswahlgespräch im Oktober. Plötzlich war der Traum zum Greifen nah. Allein die Einladung zum ersten Gespräch war mir wie ein Wunder vorgekommen. Und jetzt die Einladung zum Zweiten? Ich nahm mir vor, dieses Gespräch zu rocken und mich noch besser darauf vorzubereiten als auf das Erste.

Liest man Erfahrungsberichte von ehemaligen Stipendiaten, so ist man erst mal entmutigt. Erfolgreiche Bewerber wirkten wie Überflieger: Sie haben Bäume in Bolivien gepflanzt, eine eigene Stiftung gegründet, eine ehrenamtliche Bäckerei in Kenia eröffnet und überall Notenschnitte von 1,0.

Damit konnte ich schwerlich mithalten. Zum Zeitpunkt der Einladung bestand mein einziges ehrenamtliches Engagement aus meiner Mitgliedschaft beim AStA meiner Hochschule und einem kleinen Engagement in der Schule. Zwar hatte ich zu dem Zeitpunkt eine Position als Vorstand beim AStAs angenommen, aber das wäre erst im nächsten Semester. Mir war klar, dass ich mit etwas anderem punkten musste: Mit Personal Fit und guter Vorbereitung.

Mein zweites Gespräch verlief noch besser als das erste. Es war geprägt von einer positiven, wohlwollenden Stimmung und ich hatte erstaunlich viel Spaß. An eine Zusage konnte ich nicht recht glauben, aber ich war stolz auf mich und meine Leistungen.

Und dann geschah im November das Unglaubliche. Ich erhielt eine E-Mail, die mir zur Aufnahme in die SDW gratulierte. Ein Stipendium, das mein Leben veränderte und noch immer verändert.

Dank der finanziellen Förderung der SDW konnte ich mich vom BAföG lösen und Projekte endlich nach Interesse und nicht länger nur nach Gehalt auswählen. So arbeitete ich zwei Jahre lang ohne Bezahlung in einem damals noch nicht gegründeten, aber super coolen Start-up als Chief Marketing Officer mit. Eine Tätigkeit, die ohne die finanzielle Förderung der SDW nicht möglich gewesen wäre. Auch die Finanzierung meiner zwei Auslandssemester in Lissabon war nicht länger eine Hürde.

Dank der ideellen Förderung der SDW konnte ich an einer Exkursion nach Israel mitmachen, eine Woche lang in Norddeutschland mit Unternehmensvertretern über den Wandel der Wirtschaft sprechen und Freundschaften in ganz Deutschland knüpfen. Außerdem habe ich an Workshops und Seminaren zu Achtsamkeit, werteorientiertem Wirtschaften, Bewerbungstrainings und dem Schärfen von Soft Skills teilgenommen. Dazu konnte ich durch das Netzwerk der Stiftung ein spannendes Praktikum ergattern.

Es waren Vorteile, wie ich sie mir nie erhofft hätte. Umso glücklicher bin ich, dass ich den Sprung gemacht und mich getraut habe, die Bewerbung damals abzuschicken.

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